MARTE. MARTE
Die Brüder Bernhard Marte (1966) und Stefan Marte (1967) absolvierten ihr Architekturstudium an der Technischen Universität in Innsbruck. 1993 erfolgte die Gründung des gemeinsamen Büros in Weiler, einer kleinen Rheintalgemeinde in Vorarlberg.
Beide engagierten sich im Vorstand der Zentralvereinigung der Architekten Vorarlbergs. Stefan Marte ist seit 2005 Präsident des vai Vorarlberger Architektur Institut. Neben einer Vielzahl an charaktervollen Privatbauten können Marte.Marte auf eine beachtliche Reihe von Auszeichnungen für ihre Architekur im Bereich Kultur, Bildung, Infrastruktur und Gesundheit verweisen. Ihre Entwürfe sind geprägt von rigider Abstraktion, Reduktion und einem untrüglichen Verständnis für den jeweiligen Ort. Zahlreiche Wettbewerbserfolge und internationale Preise belegen den Stellenwert des mittlerweile in Feldkirch beheimateten Büros, in dem derzeit 22 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beschäftigt sind.
„WIR STREITEN OFT“
„Früher, als Bernhard und Stefan Marte noch Kinder waren, war Manches anders. Zum Beispiel das mit dem Streiten. „Wir vertrugen uns gut“, sagen beide unisono. Um zu ergänzen: „Wir verstehen uns immer noch bestens, aber heute ist unsere Streitkultur ein sehr wesentliches Element in unserer Arbeit.“ Was seit damals unverändert blieb, ist ihre Begeisterung für und die Liebe zur Architektur. Die wurde ihnen quasi von Kindesbeinen an mitgegeben. Der Vater war Holzbodenbauer, später dann Bausanierer. Und so verbrachten Bernhard und Stefan viel Zeit auf Baustellen. Später dann legten sie selbst Hand an. Erst entstanden Hütten, dann Burgen. Die üben noch heute eine große Faszination auf die beiden aus. „Von dort kommt vielleicht auch das Massive in unserer Architektur, der Wunsch, den Außenraum ins Innere zu holen“, mutmaßt Stefan Marte.
In der Jugend wurde die Beziehung etwas weiter, um sich sofort wieder zu verdichten, sobald Stefan, der Jüngere der beiden, in die Fußstapfen des großen Bruders trat und ebenfalls das Architekturstudium in Innsbruck begann. „Von da an brachte uns nichts mehr auseinander“, sagt er. Und tatsächlich sind die beiden seither, seit 1993, als sie ihr Büro eröffneten, ein kongeniales Duo, das mittlerweile weit über die Landesgrenzen hinaus hohes Ansehen genießt und bemerkenswerte Bauten realisiert hat. Jüngstes Beispiel ist die Landesgalerie Niederösterreich in Krems. Viel Lob bekam der markante, skulpturale Baukörper, der sich perfekt in das bestehende Ensemble einfügt, von der Donau aus die Schräge der Weinberge aufgreift und unterirdisch Landesgalerie und Kunsthalle erschließt. „Wir wussten, dass unser Entwurf etwas völlig Unerwartetes für die Jury sein würde. Umso glücklicher waren wir über die Entscheidung zu unseren Gunsten“, sagt Bernhard Marte. Aber wie bei vielen Projekten sind Segen und Fluch auch in Krems eng verbunden. „Wir mussten bei der Fertigstellung durchaus Kompromisse eingehen“, ergänzt Bernhard.
Marte.Marte hat über die Jahre eine klare Handschrift entwickelt. „Früher wurden wir oft angefragt für Projekte, bei denen von vornherein klar war, dass wir nicht die Richtigen sind“, erklärt Stefan. Das habe man meist schnell gespürt und dann auch ausgesprochen. Nicht aus Arroganz oder weil das Budget zu klein gewesen wäre. Sondern mit der Gewissheit, dass Bauherr und Architekt nicht kompatibel sein würden. „Wir möchten niemanden zu unserer Architektur überreden. Aber wir wollen uns auch nicht verbiegen“, sagen die beiden. Heute sei das zum Glück anders. „Man kennt uns inzwischen, kennt unseren Stil und weiß, was man kauft“, bringt es Bernhard Marte auf den Punkt. Ob es dennoch manchmal Überraschungen gibt, wollen wir wissen. Und tatsächlich haben die beiden erst kürzlich eine solche erlebt – allerdings in eine ganz andere Richtung. „Wir haben für einen Bauherren ein Haus in Klosterneuburg entworfen. Als wir mit den ersten Skizzen zusammen kamen, hat er sich alles in Ruhe angeschaut, um dann aufzustehen, sein iPad zu holen und uns ein Bild einer Bunkeranlage auf dem Bikini-Atoll zu zeigen. So wolle er das, durchaus noch ein ganzes Stück brachialer als unser Entwurf, der allerdings schon recht markant war“, erzählen Bernhard und Stefan.
Private Bauherren gibt es derzeit nicht viele. Das liegt allerdings nicht am mangelnden Interesse oder einem Rückgang der Anfragen. Vielmehr ist es dem Umstand geschuldet, dass die Brüder sich als Wettbewerbs-Junkies bezeichnen. „Wir lieben diese Challenge“, sagen sie. Und so nimmt das Büro im Jahr an rund 20 Ausschreibungen teil. Warum eigentlich, fragen wir nach. „Wir lieben die hohe Dichte an Gestaltung, die ein Projekt vom weißen Blatt weg ermöglicht“, erklärt Stefan. Und nach welchen Gesichtspunkten wird entschieden, fragen wir nach. „Wir haben keinen Kriterienkatalog“, sagt Bernhard. „Doch haben wir“, entgegnet Stefan. Nein, doch, nein, doch, geht es ein paar Mal hin und her. Womit wir beim Einstiegsthema wären, der Streitkultur. Oft sind die beiden Brüder unterschiedlicher Meinung. Dann wird engagiert diskutiert, alles Herzblut ins Rennen geworfen, auf der Suche nach der besten Lösung. „Wenn wir nicht weiterkommen, gehen wir oft raus, spazieren im Wald und diskutieren dort weiter“, erklärt Bernhard. Zurück im Büro verschwindet dann jeder an seinen Schreibtisch und skizziert das Ergebnis. „Das ist so gut wie nie auch nur ähnlich“, grinst Stefan. Dann geht es so lange weiter, bis einer den anderen überzeugt. „Und im Zweifelsfalle hat der recht, der sich sicher ist“, wird das Geheimnis der Marteschen Streitkultur verraten.
Masterminds hinter den Projekten sind die beiden Brüder. Sie machen den Erstentwurf, dann kommt das Team zum Einsatz. Die Zwischenergebnisse werden gemeinsam diskutiert, die Letztentscheidung bleibt aber immer bei Bernhard oder Stefan, je nachdem wer der Projektleiter ist.
Bis zu 70 Stunden arbeiten die beiden in der Woche, um am Ende das bestmögliche Projekt in den Wettbewerb zu schicken. „Es muss wehtun, damit etwas Außergewöhnliches entstehen kann“, sagt Bernhard. Wenn dann der Jurytag ist, wird nicht selten das Projekt wieder herausgeholt. Nochmals begutachtet, darauf angestoßen. „Wenn wir den Zuschlag nicht bekommen, dann tut das richtig weh, körperlich weh“, sagt Bernhard. Das wird erst besser, wenn das Siegerprojekt veröffentlicht wird und die Entscheidung damit nachvollziehbarer wird. „Aber“, sagt Stefan mit einem Augenzwinkern, „zum Glück gewinnen wir öfter als wir verlieren.“
Ihre Kompetenz und ihr Know-how bringen die beiden oft selbst als Jurymitglieder ein. Oder auch im Landesgestaltungsbeirat, den beide für sehr wichtig und notwendig halten, damit die Baukultur in Vorarlberg sich weiterentwickeln kann.
„Die Aufgabe in diesem Gremium ist, den Kollegen auf dem Weg zu einer guten Lösung zu helfen, zu ermöglichen und keinesfalls zu verhindern“, sagt Bernhard Marte. Natürlich seien alle Architekten Konkurrenten. „Aber die guten schätzen sich gegenseitig.“ So wie die beiden Brüder sich gegenseitig schätzen und respektieren. Diese besondere Konstellation beschränkt sich aber keineswegs auf das Büro in der alten Dogana in Feldkirch. „Wir sind auch privat ein gutes Duo. Zum Beispiel wenn wir gemeinsam Motorradfahren. Dann sind wir allerdings nur Benzinbrüder und die Arbeit wird hier gelassen. Streiten kann man übrigens auch nicht, wenn man hintereinander herfährt und jeder einen Helm aufhat“, erklären die beiden mit einem verschmitzten Grinsen im Gesicht.
Diözesanmuseum Fresach – Foto: Marc Lins
Alfenzbrücke -Foto: Marc Lins
Haus Marte – Foto: Ignacio Martinez
Landesgalerie Niederösterreich – Foto: Roland Horn
Landessonderschule Mariatal- Foto: Bruno Klomfar
Messehalle Dornbirn – Foto: Faruk Pinjo
Schutzhütte – Foto: Marc Lins
Schanerlochbrücke – Foto: Marc Lins