Die Welt von
Andreu WorldWenn der erste Eindruck zählt, dann hätte sich Andreu World gar nicht besser präsentieren können, als an diesem Donnerstag morgen: Wir stehen vor dem Hotel in València und warten auf unseren Transfer in die Zentrale von Andreu. Es biegt ein dunkler Mercedes Vito ums Eck und schon von Weitem winkt uns ein strahlender Ramiro Otero hinter dem Lenkrad zu. Eine herzliche Begrüßung für uns, eine Umarmung für „Freund Harry“ und schon sind wir mitten im Plaudern mit dem Sales Manager des Unternehmens. Und dann beginnt ein sehr entspannter, interessanter und beeindruckender Tag.
Auf der Fahrt durch València Richtung Norden zu Andreu Est erzählt Ramiro in perfektem Deutsch – er hat sechs Jahre in Zürich und Genf gelebt – ganz nebenbei von der Geschichte verschiedener Plätze und Gebäude, die an uns vorbeiziehen. „Dort drüben wohne ich übrigens und da unten spiele ich immer mit meinen Kindern“, gibt er auch Privates preis und zeigt dabei ins ehemalige Flussbett, in dem jetzt ein riesiger Park samt zig Sportplätzen ist. „Nach vielen Überschwemmungen in den 50er-Jahren hat man den Fluss Turia verlegt, in einen Kanal, der rund um die Stadt geführt wird. Drum gibt’s jetzt hier so tolle neue Flächen“, erklärt Ramiro.
Ein paar Minuten später sind wir im Werk Andreu Est. Überall sitzen die Arbeiter im Schatten und genießen ihre Pause. „Hier fangen wir in der Früh um 6.00 Uhr an, Mittag ist dann um 14.00 Uhr. Da ist die Zeit lang und die Pause wichtig“, sagt Ramiro, der umhergeht, Hände schüttelt, plaudert, Späßchen macht. „Almuerzo“ heißt diese Vormittagspause und sie ist mehr als nur das. „Sie ist Tradition, Teil unserer Kultur, fast ein bisschen heilig“, meint Ramiro.
Die Produktion ist eine Augenweide und ein Muster an Organisation. Die Teile werden aus dem Werk in der Ukraine angeliefert und hier zusammengebaut, lackiert, gepolstert, verpackt und verschickt. „Ein bisschen Glück hatten wir schon in unserer Geschichte“, gibt Ramiro dankbar zu. Als die Holzlieferungen in Spanien versiegten, weil der damalige Wald Naturschutzgebiet wurde, stieß Andreu in der Ukraine auf eine alte Holzfabrik, die direkt neben einer riesigen Waldfläche stand. „Irgendwo fanden wir noch alte Thonet-Prospekte. Da wussten wir, dass wir hier richtig sind“, schmunzelt Ramiro. Das Unternehmen kaufte und sicherte sich so den Rohstoffbedarf für die Zukunft. „Auch dieser Wald ist wieder mit besonderen Auflagen versehen“, erzählt Ramiro. „Deshalb ist unser ganzes Holz FSC-zertifiziert.“
Hier in València werden die Teile aus dem Werk in der Ukraine zusammengebaut. Das Geflecht in die Sitzflächen der Sessel wird hier von Hand eingesetzt. Es wird gewässert, dann mit einem Keil in die Nut eingebracht, verleimt und am Schluss mit einem Holz namens Spargel verschlossen. „Wir machen auch alle unsere Holzdübel selbst. Sie sind besonders, weshalb alle unsere Möbel sehr stabil sind“, erklärt Ramiro. Zwischendurch immer wieder ein paar Worte hier, ein paar dort. Eine Hand wird geschüttelt, ein Gruß – alle hier gehen sehr freundschaftlich miteinander um. Und sie sind stolz auf ihre Arbeit. Wie etwa Angel Vallera, der gerade einen Stuhl schleift. Sofort zeigt er uns seinen Hammer mit eingeritztem Real Madrid Logo samt „11+1“ – der Anzahl der Titel des Vereins. Und natürlich ist sein Arbeitsbereich „Zona Bernabeu“ mitten in València.
Weiter geht’s. Vorbei an der Testanlage – gerade wird ein Prototyp 200.000 Mal mit Druck belastet, bevor er in Produktion geht – zur hauseigenen Kartonfaltmaschine hinüber in die Näherei. Die Stoffe sind vom dänischen Partner Kvadrat, das Leder aus Italien. Die Steppnähte für den Bestseller Flex werden hier genauso von Hand vernäht wie die Ummantelung einer Armlehne. Vorbei an der Lackiererei und der Endkontrolle landen wir wieder am Eingang und in unserem schneidigen Mercedes. Auf dem Weg Richtung Verwaltung gibt Ramiro noch ein paar Fakten preis, wie die rund 250.000 Teile, die jährlich die Produktion verlassen oder die 500 Mitarbeiter weltweit und die 70 Millionen Euro Umsatz, bevor er uns noch schnell die Moto-GP-Rennstrecke zeigt.
Die Verwaltung von Andreu World ist in Chiva in einer ehemaligen Schule. Hier ist auch der Showroom, der die immense Bandbreite des Unternehmens in einem wunderschönen Ambiente offenbart. Büros, Unis, Hotels, Geschäfte, Unternehmen oder Gastronomiebetriebe zählen zu den Kunden. „Wir haben festgestellt, dass von den 50 besten Restaurants weltweit rund 30 von uns ausgestattet wurden“, erzählt Ramiro. „Und dann haben wir daraus ein Buch gemacht.“ Ein wunderbares übrigens. Und weil wir schon beim Thema Essen sind, schlägt er vor, dass wir langsam aufbrechen. In Richtung eines sehr speziellen Restaurants, um eine echte Paella Valènciana zu essen. Aber das ist eine andere Geschichte, die auf der nächsten Doppelseite zu lesen ist.
Ramiro Otero hat uns Andreu World auf eine Weise nähergebracht, die weit über eine zu erwartende Firmenpräsentation hinausgeht. Es war ein Tag mit einem Freund, der stolz das gezeigt hat, was seit mehr als einem Jahrzehnt sein Herzensprojekt ist: Einen Beitrag zu leisten, dass Andreu World die beste Stuhlfabrik der Welt wird. Gracias, Ramiro.