Es ist halt
Slow Food
Über die Südost-Tangente geht es – ohne Stau, man staune! – vorbei am Austria-Wien-Stadion und der Peer-Albin-Hansson-Siedlung, der ersten großen städtischen Wohnbauanlage nach dem zweiten Weltkrieg, hinaus nach Simmering zu einem weiteren Reformer mit Prinzipien, Ideen und Tatendrang. Als Andreas Gugumuck 2008 erst als Nebenerwerbsbauer den Hof seiner Oma übernahm und dann 2010 endgültig seinen Job in der IT-Branche an den Nagel hängte, gab es durchaus ein paar Kopfschüttler in seinem Umfeld. Davon ließ sich der ehemalige Boxer allerdings nicht beeindrucken. „Ich bin über einen Artikel zur Tradition des Schneckenessens im frühen Wien gestolpert“, erzählt er von seiner Initialzündung. „Da war mir klar: Das ist mein Weg, das will ich machen.“ Gesagt. Getan.
2014 gründete er dann die Wiener Schneckenmanufaktur. Heute beliefert er die Spitzengastronomie, hält Vorträge, macht Events auf seinem Hof, hat ein eigenes kleines Bistro und verarbeitet pro Jahr rund 1.500 Kilo der kleinen Weichtiere. „Rund 25 Gramm hat ein Tier. Bei der Schlachtung kommt das Haus weg, der Eingeweidesack und ein paar andere Teile, sodass am Schluss nur das Muskelfleisch übrigbleibt“, erklärt er. Rund 100 Euro kostet das Kilo, ein Stück lediglich 50 Cent. Dass Schnecken künftig eine Säule unserer Ernährung sein werden, davon ist Andreas Gugumuck überzeugt. „Sie haben vier Mal so viel Eiweiß wie Fleisch und kein Fett. Das sind echte kleine Proteinbomben“, schwärmt er, „und Slowfood“.
Überhaupt ist Andreas felsenfest davon überzeugt, dass es künftig anders laufen muss. Mit dem Projekt „Future Garden“ hat er ein nachhaltiges, produktives Ökosystem aufgebaut, das eine artgerechte Ernährung für den Menschen veranschaulicht. „Ich bin überzeugt, dass ausdauernde Pflanzen, Pilze, Schnecken und Insekten zu den Nahrungsmitteln der Zukunft zählen. Aus ökologischer, physiologischer und wissenschaftlicher Sicht“, erklärt er uns. Dabei setzt er auch auf den Anbau von ausdauernden Gemüsearten, also solchen, die nicht jedes Jahr abgeerntet und neu ausgepflanzt werden, sondern die immer wieder natürlich nachwachsen. „Wir entwickeln hier Landwirtschaftskonzepte für den urbanen Raum“, sagt er. Eine Verschmelzung von Dorf und Stadt. Darum hat er auch den benachbarten, leerstehenden Haschahof gekauft. „Hier wollen wir das Projekt weitertreiben, als Inkubator, mit vielen gleichgesinnten Partnern“, beschreibt er seine Pläne.
Inzwischen stehen wir am Schneckenfeld. Es ist windig, es schneit, es ist 14.30 Uhr und die Frisur gibt langsam auf. Die Schnecken sind derzeit noch im Winterschlaf. Die meisten davon auf dem Hof, im Keller. Aber auch hier auf dem Feld. Einzelne machen die ersten Ausflüge, die Meisten aber sind noch in ihrem Haus, gut geschützt durch den Kalkdeckel. Neben dem Feld steht ein weiteres Projekt von Andreas. „Das ist unsere Jurte, die haben wir letzten Frühling aufgebaut. Wir wollten den Leuten im Sommer einen Platz anbieten, der auch ein wenig Urlaubsgefühl vermittelt, hier draußen im Grünen“, erzählt er. Und es hat prima funktioniert. Jetzt, für den Winter, ist ein Teil gedeckt. Wir gehen rein (zum Glück) und Andreas heizt den Smoker an. „Essen wir ein paar Schnecken, oder?“, fragt er. Gleich darauf kommt seine Frau und eine Mitarbeiterin mit einem Tablett. Weißwein, eine Pfanne mit Schnecken zum Überbacken und geräucherte Schnecken. „Die schmecken wie Speck, nur besser“, grinst Andreas. Die einen kommen aufs Feuer, die anderen in den Rauch. Und bald darauf verkosten wir das Ergebnis. Es ist so lecker, dass wir später im Hofladen noch ein bisschen was für zuhause einkaufen.
Hier gibt es Schneckenkochbücher, eingelegte Schnecken, Schmuck aus Schneckenhäusern, Bilder über Schnecken und allerlei Infos über die kleinen Tiere. „Nur der Schneckenleberkäse ist aus“, sagt Andreas. Sogar Schnecken, um die eigene Zucht zu starten, kann man bei Gugumucks kaufen. Darüber denken wir noch in Ruhe nach und verkochen inzwischen mal das Sugo mit den geräucherten Schnecken. Verkostungsbericht folgt.