Ein Leben in Stein gemeiselt

Ein Leben in 

Stein gemeißelt

Als Herbert Meusburger im Oktober 2013 sein Manifest veröffentlichte, wirbelte er damit beträchtlichen Staub auf. Er bemängelte unter anderem die schwindende Wertschätzung für Künstler und ihre Arbeit, kritisierte aber auch jene Künstler, die sich zugunsten des Massengeschmacks verbiegen und bedauert vor allem, dass Kunst weder Gegenpositionen noch Stellung zu aktuellen Themen bezieht. Heute, fast 10 Jahre später, würde er ohne Zögern wieder die Unterschrift unter seine damaligen Gedanken setzen. Dennoch lässt er heute lieber seine Arbeit sprechen, als Pamphlete zu verfassen. Still ist er damit allerdings keinesfalls geworden.

 

„Als ich mit über 30 Jahren anfing als Künstler zu arbeiten, verkaufte ich fast 2 Jahre lang keine einzige Arbeit. Das hat sich zum Glück geändert“, grinst Herbert Meusburger verschmitzt. „Aber ich habe mich nie verbogen und bin meinen Grundgedanken und Anliegen immer treu geblieben“, erzählt er weiter. Eine wesentliche Leitlinie in seinem Leben war immer das Verbindende. „Natürlich gehört da automatisch auch das Trennende dazu“, so Meusburger. Und davon gibt es derzeit wahrlich ausreichend, ergänzt er. Dieses Motiv von „Trennen & Verbinden“ ist in seinen Arbeiten auf den ersten Blick sichtbar. Seine Skulpturen basieren auf Elementen, meist aus unterschiedlichen Steinen, die ineinander verschränkt, verkeilt und im Steckprinzip verbunden sind. Oft sind es Steine, die von weither kommen, etwa aus Brasilien oder Afrika, die er mit heimischen verbindet.

 

Trennen & Verbinden ist auch das Thema beim Skulpturen-Rundgang im Garten des Restaurant Guth in Lauterach. 11 Arbeiten sind hier zu sehen, aus unterschiedlichen zeitlichen Epochen. „Die erste Arbeit, den Brunnen mit drei Stelen, haben wir 1998 nach der Renovierung hier aufgestellt“, erinnert sich Herbert Meusburger. Seither verbindet ihn eine enge Freundschaft zur Familie Scheucher. Und so musste Hausherr Thomas ihn nicht lange überzeugen, im wunderbaren Garten des Restaurants einen Querschnitt über seine wichtigsten Arbeiten zu zeigen.

 

Die letzten beiden Arbeiten, „Der Knoten“ und „Der Rebstock“ fallen auf den ersten Blick aus dem Rahmen. Beide Motive sind in Bronze gegossen und weichen damit von den Arbeiten des Steinbildhauers ab. Aber nur auf den ersten Blick. Bei genauerer Betrachtung ergibt sich der Zusammenhang nämlich über das Motiv: Der Knoten ist das Sinnbild für Verbindung. Er hält zusammen, gibt Sicherheit, hält fest. Und Herbert Meusburger hat noch eine andere Assoziation dazu: „Bei uns sagt man ja oft, dass irgendwo der Knopf drin ist. Und das kann man derzeit wohl ziemlich oft behaupten.“

 

Auch der Rebstock hat seine Geschichte. „Ich fand dieses wunderschöne Exemplar in einem Weinberg in Niederösterreich. Und sofort begann ich zu tüfteln, wie ich es reproduzieren könnte“, erzählt Meusburger. Mit einem Südtiroler Spezialisten wurde eine Art Siliconmasse entwickelt, um einen Abguss herzustellen. Und eine Gießerei in Tirol hat daraus dann die Bronzeskulptur gefertigt. Für Herbert Meusburger ein wunderbares Symbol für die Verbindung zur Natur, für das Erdige, Ursprüngliche, Kraftvolle.


Kraft braucht der Künstler Zeit seines Lebens. Die Bearbeitung der Steine vor seinem Atelier in Bizau ist Handarbeit, nein, eigentlich Knochenarbeit. Die Steine werden mit der Flex bearbeitet, danach mit dem Meisel behauen oder manchmal auch auf Glanz poliert und geschliffen. „Früher war das alles kein Problem, da war ich noch voll im Saft. Jetzt muss mein Sohn mithelfen und die Feinarbeit machen, das geht bei mir nicht mehr“, erklärt Herbert Meusburger. Seit ein paar Jahren braucht er seine Kraft für den Kampf gegen sein Krankheit und für die Gesundheit seiner Frau Josefine.


Sie hat ihn auch dazu gebracht, wieder mehr zu malen. Auch in seinen Bildern liegt etwas Skulpturales – vor allem in den jüngsten Werken. Der Farbauftrag wird mit unterschiedlich dichten, kammartigen Spachteln verstrichen. So entstehen beinahe geometrisch zueinander angeordnete Elemente, die jedes für sich sprechen, sich aber zu einem harmonischen, ausdrucksstarken Ganzen verbinden.


Dieses Prinzip von Veränderung, sich Neuem öffnen und dabei dennoch immer dem Eigenen treu bleiben, das zeichnet Herbert Meusburger aus. Über die fast vier Jahrzehnte seines Schaffens gab es zwei Konstanten, die entweder miteinander zu finden sind oder jede für sich ein Charakteristikum seiner Arbeit ist: den Stein und das Leitmotiv des Verbindens und Trennens. Und vielleicht noch etwas Drittes: die Konsequenz im Tun und in der Haltung.


Dass Herbert Meusburger damit gut gefahren ist, belegt ein Blick in seine Vita. Der gelernte Holzbildhauer hat schnell seine Liebe zum Stein gefunden. Von 1990 bis 1993 leitete er das internationale Bildhauersymposium in Hohenems. Nach dem Kauf eines Steinbruchs im Mühlviertel gab es auch dort immer wieder Meisterkurse und Ausstellungen. Er selbst kann auf zahlreiche Ausstellungen in Galerien und im öffentlichen Raum zurückblicken. Eine besondere Wertschätzung wurde ihm dabei von der Neuen Pinakothek in München zuteil: Als erst zweiter Österreicher in der Geschichte des Hauses konnte er dort seine Arbeiten zeigen.


Besonders sein Kreuzweg in Perchtoldsdorf hat ihm zu großer Anerkennung und Bekanntheit verholfen. Aber auch Arbeiten in Südtirol, im Bundesschulzentrum Bezau, in der Landwirtschaftlichen Berufsschule Wieselburg und sogar in Nepal. Bei alldem ist Herbert Meusburger nie abgehoben. Er ist der bescheidene, nach wie vor manchmal sture und unbequeme Wälder geblieben, der er immer war. „Vielleicht etwas entspannter, schließlich muss es ja auch einen Vorteil haben, wenn der Verkauf läuft“, grinst er.


Wir sitzen gemeinsam im Wintergarten seines Ateliers. Vor uns eine kleine Arbeit in Stein, natürlich. „Siehst du das Blau hier? Und da, eine Mischung aus Grün und Gelb! Und wie gut sich die Oberfläche anfühlt!“ Ich schaue ihn bewundernd an und denke mir, ich hätte auch gerne diese tiefe Liebe, Leidenschaft und Demut meiner Arbeit gegenüber. Dazwischen krault er seiner Katze Hans den Nacken und schaut in die Ferne. So lange kennen wir uns schon und außer, dass er älter wurde, ist er immer derselbe geblieben: ein Mann mit Haltung, Geist und viel Witz. Dass er einer der international anerkanntesten Steinbildhauer ist, spielte nie eine Rolle. Dass er ein Netzwerk wie kaum ein anderer hat, war ihm nie wichtig. Was für Herbert Meusburger zählt, sind seine Frau Josefine, seine Kinder, seine Arbeit und seine Freunde. Und alles, was verbindet.

Jetzt auf Facebook teilen