eoos

DIE ZEITVERSCHLINGUNGS-

MASCHINE

HARALD GRÜNDL wurde 1967 in Wien geboren, MARTIN BERGMANN 1963 in Lienz/Osttirol und GERNOT BOHMANN 1968 in Krieglach/Steiermark. Sie studierten gemeinsam Industriedesign an der Universität für angewandte Kunst in Wien und gründeten 1995 EOOS. Der Name des Studios ist inspiriert vom Namen eines der vier Wagenpferde des Sonnengottes Helios aus den Metamorphosen von Ovid. Mit ihrem Forschungselement, der “Poetische Analyse”, untersuchen die Designer Rituale, Mythen und intuitive Bilder und verwenden es als Ausgangspunkt für ihre Entwürfe. Für EOOS ist Design eine poetische Disziplin, die zwischen archaischen Positionen und den Möglichkeiten von Hightech

hin und her wechselt. Heute arbeitet das Studio in den Bereichen Möbel- und Produktdesign für Kunden wie Alessi, Bene, Bite Beauty, die Bill & Melinda Gates Foundation, Bulthaup, Carl Hansen & Søn, Dedon, Duravit, Fürstenberg, Geiger, Herman Miller, Hussl, Keilhauer, Lamy, Laufen, Nuki, Poltrona Frau, Walter Knoll und Zumtobel.

Manchmal entsteht aus dem Zufall das beste Ergebnis. Etwa wenn drei junge Studenten bei der Inskription an der Uni hintereinander in der Reihe der Wartenden stehen, ins Gespräch kommen und feststellen, dass man sich ganz gut leiden mag. Es entwickelt sich eine Studienfreundschaft, man geht gemeinsam durch die Höhen und Tiefen der Ausbildung und beschließt irgendwann, auch die berufliche Zukunft als Dreierteam in Angriff zu nehmen – so kommt es 1995 zur Gründung von EOOS. Heute, fast 30 Jahre später, sind Gernot Bohmann, Harald Gründl und Martin Bergmann noch immer Freunde, haben ein international renommiertes und gefragtes Designstudio aufgebaut und ein Team von neugierigen, kreativen und interdisziplinären Menschen um sich versammelt.

„Das war aber keineswegs immer so“, erzählt uns Martin Bergmann, den wir anlässlich eines Vorarlberg-Besuchs zum Gespräch getroffen haben. „Die Anfänge waren durchzogen, wie das eben so ist, wenn man von Null aus loslegt.“ Lange bildete der Bereich Shopdesign ein wichtiges Standbein des Büros. Aufträge für Kunden wie Adidas oder Armani brachten dem Trio entsprechende Aufmerksamkeit in der Branche. Parallel stellten sich auch außerhalb Europas bald erste Erfolge im Möbeldesign ein. So zählt etwa Keilhauer aus Kanada seit rund 25 Jahren zu den Kunden von EOOS.


Vor 15 Jahren wagte EOOS dann den Blick Richtung USA. Fasziniert vom Mid-Century-Design mit seinen klaren Linien, organischen Formen und der besonderen Gestaltungssprache, gelang es schließlich, mit Hermann Miller einen weiteren Kunden aus Übersee zu gewinnen. „Der Fokus verschob sich sukzessive weg vom Shopdesign hin

zum Entwurf einzelner Möbel und Objekte“, so Martin Bergmann. Heute ist EOOS breit aufgestellt und zählt zahlreiche Unternehmen abseits der Möbelbranche zu seinen Kunden.


In der Geschichte von EOOS gibt es zwei besonders

markante Jahre bzw. Ereignisse. Das erste war 2008, die weltweite Finanzkrise. Sie führte dazu, dass Shopdesign massiv zurückgefahren wurde und somit Platz für die anderen Projekte entstand – nicht ganz freiwillig, denn die Investitionsfreude nahm deutlich ab und es brauchte Alternativen. Das zweite einschneidende Ereignis war die erste große Flüchtlingskrise im Jahr 2015. Daraus, in Kombination mit einer Einladung zur Architekturbiennale in Venedig, entstand das Projekt „Social Furniture“. „Wir besuchten zu der Zeit ein Auffanglager für Flüchtlinge in Wien Erdberg. Es war für uns erschreckend, wie die

Menschen dort mit ihrer Hoffnungslosigkeit lebten. Also begannen wir darüber nachzudenken, wie man ihre Situation verbessern könnte, ihnen eine sinnvolle Tätigkeit anbieten und so das Miteinander und die Kommunikation stärken könnte“, erzählt Martin Bergmann. Die Idee, die daraus entstand, war der Bau von Küchen für jedes Stockwerk des Heims. Und zwar sollten die Insassen selbst Hand anlegen und „ihre“ Küche bauen. Die Begeisterung war

groß und es entstand innerhalb kürzester Zeit eine ganz besondere Dynamik, die über den Küchenbau hinausging. „Am Ende wurde in den neuen Küchen gemeinsam gekocht und gegessen. Alle arbeiteten miteinander, man unterhielt sich, lernte voneinander“, beschreibt Martin Bergmann diese Zeit. 


Das Projekt wurde dann 2016 auf der Architektur Biennale in Venedig vorgestellt, die unter dem Titel „Places for People“ lief. Dort erhielt das Projekt international viel Lob und Anerkennung. „Es hat für uns ganz einfach gepasst und sich gut mit unseren anderen Projekten aus diesem Bereich ergänzt“, sagt Martin Bergmann. Schon zuvor hat EOOS für die Caritas, das Rote Kreuz oder auch die Bill

& Melinda Gates Stiftung zu arbeiten begonnen und sichgezielt für nachhaltiges und soziales Design engagiert. 


Jüngster Schritt ist die Gründung von EOOS NEXT im Jahr 2020. Ziel ist, „Designs für die reale Welt“ zu entwickeln und damit eine Reaktion auf aktuelle Krisen im Bereich Klima, soziale Ungerechtigkeit oder Migration zu setzen. „Eigentlich ist das bei uns nichts Neues“, sagt Martin Bergmann, „wir haben uns schon lange mit Kreislaufwirtschaft und entsprechenden Lösungen beschäftigt. Aber das war einfach zu früh. Jetzt kommt es vom Markt

zurück.“ Und dieses Engagement zeigt sich tatsächlich seit rund 15 Jahren. Sichtbar wurde es unter anderem durch die Einladung zur Ausstellung der „Blue Diversion Toilet“ auf der Architekturbiennale Venedig 2014, die MAK-Ausstellung „CLIMATE CHANGE! Vom Massenkonsum zur nachhaltigen Qualitätsgesellschaft“ (2019), kuratiert von Christoph Thun-Hohenstein, oder der Österreichische Pavillon auf der Triennale di Milano 2019, der mit dem „Black Bee Award“ und dem Wallpaper Design Award 2020 „Life-Enhancer of the Year“ für die Laufen-Toilette „save!“ ausgezeichnet wurde.


A propos „save!“: Die Toilette ist ein gutes Beispiel für die Vielseitigkeit und unglaubliche Design-Ingelligenz von EOOS. save! ist eine bahnbrechende Urinseparations- Toilette, die einen Schritt in Richtung nachhaltiges Abwassermanagement

macht, indem sie die im Urin enthaltenen Nährstoffe bewahrt und gleichzeitig die Umwelt vor Schadstoffen schützt. 


Ein weiteres Beispiel für „Design für die reale Welt“ ist „Nuki“. Das smarte Schloss öffnet via App automatisch jede Tür, kann überall nachgerüstet werden, indem es einfach auf das Schloss samt Schlüssel aufgesteckt wird. „Zu Beginn haben wir die Tragfähigkeit der Idee ziemlich unterschätzt. Wir fanden die Aufgabe aber sehr interessant

und sind heute froh, ein Teil dieser Erfolgsgeschichte zu sein“, erzählt Martin Bergmann über die Anfänge der Zusammenarbeit mit dem Grazer Start-up.


Oft waren es die Bauchentscheidungen, die EOOS einen wesentlichen Schritt weiterbrachten. „Und immer steckt verdammt viel Arbeit drin. Eigentlich ist unser Büro eine Zeitverschlingungsmaschine“, grinst Martin Bergmann, „weil wir einfach immer alles in die Waagschale werfen und keine Ruhe geben, bis es gut ist.“ Wenn er von sich, dem Studio und seiner Arbeit erzählt, spürt man diese Begeisterung und Hingabe. Und man sieht sie an seinen Augen, die unablässig strahlen.