Harry Thaler

Im Turm von

Harry Thaler

Er ist ein Produktdesigner, dessen Arbeit grundlegende Designtypologien neu interpretiert, in dem er hochwertige und traditionelle Handwerkskunst mit cleveren und innovativen Formen kombiniert.

 

Das Atelier von Harry Thaler in Lana, Südtirol ist leicht zu finden. Schon von Weitem ist „sein“ 22 Meter hoher Turm mitten im Industriegebiet sichtbar. Hier hat er vor rund vier Jahren seine Zelte aufgeschlagen – nach seiner Rückkehr aus London. Aber beginnen wir am Anfang unseres Treffens.

 

Als wir über die Außenstiege in den ersten Stock des Turms kommen, befinden wir uns mitten in der Werkstatt. Einer seiner Mitarbeiter, der ja eigentlich selbständiger Designer ist und als Freelancer hier arbeitet, erklärt uns, dass Harry nur noch schnell was holen musste und gleich da sein wird. Kaum gesagt, steht er schon in der Tür – mit einem Papiersack voller Krapfen und einem Strauß Tulpen. Sofort ist es herzlich und unkompliziert mit ihm. Harry Thaler ist ein ruhiger, zurückhaltender Mensch. Fast etwas schüchtern wirkt er, auf jeden Fall bescheiden. Gleich erzählt er uns die Geschichte seines Turms, den er vom Besitzer der ansässigen Tischlerei gemietet hat. Viel Überzeugungs­arbeit war nötig, um aus dem ehemaligen Silo ein Atelier zu machen. Aber die Hartnäckigkeit hat sich gelohnt. Imposant ist die freistehende Wendeltreppe, die im Inneren über 4 Stockwerke in die Höhe geht. In jeder Etage gibt es nur einen Raum, der quasi in den leeren Silo eingehängt wurde: die Werkstatt, einen Ausstellungsraum, das Designbüro und ganz oben den Besprechungsraum mit kleiner Küche und großer Aussicht auf die umliegenden Berge. Der Aufstieg ist nichts für schwache Nerven, vor allem wenn man zwischendurch den Blick nach unten riskiert. Oben angekommen wird Espresso gekocht, die Blumen in der Mitte des Tisches platziert und die Krapfen ausgepackt. Und natürlich sofort das Masterpiece von Harry Thaler unter die Lupe genommen: sein Pressed Chair. Der Stuhl wird in einem Stück aus einem nur 2,5 mm dicken Aluminiumblech gestanzt und dann in Form gebogen. „Ich konnte das konstruktive Problem der Stabilität, die sich am Ansatz der Stuhlbeine entscheidet, nur lösen, weil ich ursprünglich Goldschmied gelernt habe und daher mit Biegetechnik, Kurvenradius und Verformung vertraut war“, erklärt uns Harry Thaler. Es ist übrigens der Prototyp, den er hier stehen hat. Der Stuhl ist stapelbar, für Drinnen und Draußen geeignet und wird in verschiedenen Farbvarianten von Nils Holger Moormann produziert.

 

Beim Thema Goldschmied haken wir nach. „Ja, hier in Lana hab ich gelernt“, bestätigt Harry Thaler. Danach ging es nach Wien um zu arbeiten, dann nach Sri Lanka. Zurück in Europa entschied er sich für eine Ausbildung als Schmuckdesigner in Pforzheim, wo er aber bald sein Faible für Produktdesign entdeckte und abbrach. Er holte die Abendschule im Südtirol nach und begann ein Studium in Bozen. Weil er mehrmals bei der Englisch-Prüfung scheiterte, schmiss er alles hin um nach England (!) zu gehen. Daran war maßgeblich ein anderer Südtiroler, nämlich der Designer Martino Gamper verantwortlich.

 

Er bat ihm einen Job in seinem Atelier in London an. Nebenbei machte er am Royal College of Art seinen Master – und zwar mit dem Pressed Chair als Abschlussarbeit. Nach dem Studium eröffnete er im Künstlerviertel Hackney sein eigenes Studio.

Der Ruf der Heimat war dann doch zu laut. Harry übersiedelte samt Frau – einer Südtirolerin, die er in London kennengelernt hatte – wieder zurück nach Lana. „Weil es hier 300 Sonnentage im Jahr gibt“, schmunzelt er. Und so schließt sich der Kreis im Atelierturm. Er steht übrigens in direkter Nachbarschaft zu einem der aktuellen Herzensprojekte von Harry Thaler: Pur Südtirol, ein Unternehmen, das sich der Lebensfreude durch nachhaltigen und regionalen Genuss verschrieben hat. Für Pur kuratiert er die Serie „Pur Manufactur“, in deren Rahmen Südtiroler Designer verschiedene Objekte entwerfen, die dann in den Geschäften – derzeit sind es fünf in ganz Südtirol – verkauft werden. Natürlich sind hier auch seine eigenen Arbeiten wie das Apfelholzkistenregal zu finden. Oder Schneidbretter in den Formaten DIN A3 und 4, Trinkgläser samt Karaffe, Pfeffermörser oder Holzschalen. Von Harry Thaler stammt übrigens auch das Ladenkonzept.

 

„Architektur ist eine meiner Leidenschaften“, sagt er. Was etwas verwundert, ist er doch eigentlich Produktdesigner. Für ihn ist Architektur aber zunächst Entwickeln und Entwerfen. „Für die Technik und die Umsetzung gibt es andere Spezialisten, mit denen ich dann zusammenarbeite“, präzisiert er. Und er erzählt uns noch die Entstehungsgeschichte einer Türschnalle für ein Einfamilienhaus: „Wir wollten was Besonderes. Und so haben wir die Kinder der Bauherren gebeten, doch eine Türschnalle zu formen. Das Ergebnis haben wir dann abgegossen und umgesetzt – inklusive der Fingerabdrücke der Kinder.“

 

Ein weiteres Projekt ist sein „Pressed Bike“ für den Hersteller LEAOS aus Bozen – ebenfalls gepresst. Aus zwei Teilen entsteht so in nur 30 Minuten der Rahmen, der dann weiterverbaut wird. Überhaupt ist Industriedesign ein Steckenpferd von Harry Thaler. Dabei geht es ihm ausschließlich um die Verbesserung von Alltagsgegenständen mit dem Ziel, Umwelt und Ressourcen zu schonen. Seine Vielseitigkeit, sein breit gefächertes Interesse und sein Lösungstalent sind für Harry Thaler wahrscheinlich Segen und Fluch gleichzeitig. Einerseits entstehen daraus seine unzähligen, tollen Projekte. Andererseits kann er sich oft gar nicht entscheiden, was er als nächstes anpacken soll. Aber was auch immer es ist – das Ergebnis ist ein besonderes, das seinen Platz in der Designwelt hat.

Zum Abschluss geht’s natürlich noch ins benachbarte Pur Südtirol. Bei einem Gläschen Weißwein wird über dies, das und jenes geplaudert, bevor wir uns zufrieden und inspiriert ins nahegelegene Restaurant „miil“ aufmachen – nicht ohne mit Harry Thaler einen Gegenbesuch in Vorarlberg zu vereinbaren.

 

Also, bis bald.

EDISON’S NIGHTMARE ist ein Gruß an Edisons Glühbirne. Ein Gruß an einen Traum, der unsere Lebensweise für immer verändert hat und dem Schlaf die Zeit zum Lesen und Schreiben genommen hat. Es handelt sich dabei um eine klassische Glühbirne, die an die Wand genagelt wird. Wie ein Kunstwerk. (davidegroppi.com)
Foto: Denis Laner

PRESSED CHAIR ist ein leichter, stapelbarer Metallstuhl, der aus einem 2,5 mm Aluminiumblech gestanzt ist. Der Wert des Designs zeichnet sich durch die Absicht aus, ein Stück aus einem einzigen Material ohne Fugen oder Verbinder herzustellen. Darüber hinaus produziert die Herstellung kein Abfallmaterial und ist zu 100% recycelbar. (moormann.de)

PRESSED E-BIKE. Aus zwei Hälften gepresst und robotergeschweißt ist es mit seinen 15 kg extrem leicht. Der Motor hat ordentlich Power, der Akku ist in weniger als zwei Stunden wiederaufgeladen, ein digitales Display sorgt für den nötigen Überblick. (leaos.com)

FUMI ist eine Keramiklampe aus zwei gleich geformten Teilen. Ein Magnet koppelt die beiden Teile und ermöglicht ein sanftes Drehen. Die spezielle Beschichtung in Weiß, Grau oder Schwarzbraun verleiht der Lampe einen natürlichen Charakter. Ein elegantes Design für eine harmonische Atmosphäre, als Leselicht oder Schreibtischlampe.

CONO ist der Ausgangspunkt einer Arbeit, die die Reduktion von Objekten auf ihre einfachsten Formen untersucht. Foto: Harry Thaler Studio

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