Irma Renners
Sonntagsgasthof
Nicht überlegen, einfach machen
Der Adler in Egg Großdorf ist für viele am Sonntagmittag das, was die Kirche für andere am Vormittag ist: ein Ort der Einkehr. Während bei letzterem vor allem das seelische Wohl im Vordergrund steht, ist es im Adler mehr das leibliche – wobei ein gutes Essen bekanntlich ja auch Seelennahrung ist.
Für dieses Gesamtpaket ist in der altehrwürdigen Wälder Wirtschaft Irma Renner verantwortlich. Sie ist Gastgeberin aus voller Überzeugung und mit einer riesen Leidenschaft. Hier, mitten in Großdorf, hat sie sich einen Traum erfüllt. „Ich hab den damals leerstehenden Adler eher zufällig entdeckt, mich aber sofort in diesen Ort und dieses Haus verliebt“, berichtet sie von den Anfängen. „Dann habe ich angefangen nachzudenken, was man hier machen könnte. Bald schon entstand die Idee eines Sonntagsgasthauses. Und weil ich so Feuer und Flamme für diesen Plan war, habe ich gar nicht mehr lange herumgetan, sondern es einfach gemacht“, erzählt sie mit einem breiten Grinsen und voller Stolz.
Ihr Konzept war von Anfang an, nur sonntags zu öffnen und nur ein Menü anzubieten. „Geleitet hat mich da meine Vergangenheit im Piemont, wo ich viele Jahre gelebt habe und wo dieses Essen gehen ohne Speisekarte überall gepflegt wird. Man verlässt sich einfach auf die Gastgeber und freut sich darauf, jedes Mal etwas Neues zu entdecken“, erklärt sie uns. Und so gibt es im Adler jeden Sonntag ein anderes Menü, mal von Wälder Frauen gekocht, mal von einem der Gastköche, die sich inzwischen zahlreich den Kochlöffel in die Hand geben. Sie erweitern den kulinarischen Bogen, den Irma Renner für ihre Gäste spannt. „Ein bisschen ist es auch Entwicklungshilfe, was wir hier leisten“, bemerkt sie selbstbewusst, da durchaus auch immer wieder Speisen auf den Tisch kommen, die ganz bestimmt nicht alltäglich in Vorarlberg sind.
Seit etwa drei Jahren hat Irma mit Jodok Dietrich einen kongenialen Partner mit an Bord. Mit ihm kam sie über Engelbert Kaufmann, der früher im Adler in Schwarzenberg kochte, in Kontakt. Er brachte ihn bei einem seiner Gastkochauftritte im Sonntagsgasthaus als Unterstützer mit. Und seither ist Jodok geblieben. Er hat mit Irma gemeinsam das Konzept weiterentwickelt, kocht selbst an jedem zweiten Sonntag und hilft an den anderen gerne aus. „Es ist mir völlig egal, wenn ich dann einfach der Handlanger für die Gastköche bin. Da habe ich kein Problem damit. Und sie sind wiederum froh, weil sie jemanden haben, der sich hier auskennt“, erzählt Jodok sehr bescheiden.
„Jodok ist der Ruhepol in der Küche“, lobt Irma Renner eine seiner Qualitäten. Selbst wenn plötzlich jemand spontan vegan versorgt werden will, zaubert er etwas Leckeres auf den Teller und improvisiert mit den vorhandenen Zutaten. Für Irma Renner ist Jodok Dietrich aber auch derjenige im Team, der aufgrund seiner langjährigen Erfahrung einfach alle Abläufe in der Küche beherrscht, die Kalkulation und den Einkauf übernimmt und mit ihr gemeinsam über neue Ideen nachdenkt. Sie sind ein tolles Duo, die beiden. Das merkt man während des ganzen Gesprächs.
Was die beiden außerdem eint, ist die Achtung und die Liebe zu erstklassigen, regionalen Zutaten. Jodok nützt dafür sein Netzwerk in Vorarlberg und Umgebung, Irma greift gerne auf alte Kontakte in Norditalien zurück. Bei unserem Besuch verkochen wir deshalb beste Sardellen zu einer feinen Paste, genießen Buccatini, besondere Oliven aber auch Salami vom Sulzberg oder Wälder Fleisch. Ein italienisches Menü gibt es nämlich an diesem Wochenende, begleitet von Weinen aus Sizilien. Wenn es um die besten Produkte geht, dann setzt sich Irma auch mal ins Auto, fährt in aller Herrgottsfrühe nach Como und holt dort die Mozzarella ab, die es leider wegen einer Panne des Lieferanten nicht bis nach Egg geschafft hat.
Und weil jeden Sonntag Premiere ist, ist Irma Renner auch heute noch jedes Mal nervös. Klappt das Menü? Fühlen sich die Gäste wohl? Läuft in der Küche alles rund? Das geht so lange, bis die Ersten bei der Türe hereinkommen und Irma sie mit ihrer herzlichen Art empfängt, Aperitif und gleich darauf kleine Häppchen serviert. Dann legt sich die Nervosität und sie ist ganz und gar Gastgeberin. „Die Kleinigkeiten machen es aus“, weiß sie aus Erfahrung. Und die spürt und sieht man im Adler – vom ersten bis zum letzten Moment, wenn man persönlich verabschiedet wird, was in vielen Häusern keine Selbstverständlichkeit mehr ist.
Wie unkompliziert es derweilen in der Küche zugeht, erahnen wir, als wir von Jodok sofort mit verschiedenen Aufgaben betraut werden. „Du könntest den Fenchel fein schneiden. Und du kannst mir helfen, die Paprika abzuziehen“, macht er uns zu seinen Gehilfen. Dazwischen wird probiert, geredet, gelacht und wieder probiert. Wie sie die Gastköche aussuchen, fragen wir Irma und Jodok. „Einfach nach Lust und Laune. Wen wir interessant finden oder wer uns sympathisch scheint, den fragen wir einfach“, ist die entwaffnend simple Antwort. So entstand ein kleines, feines Netz von Gleichgesinnten, die auch durchaus mehrmals hier im Adler kochen. Dass darunter auch wirkliche Stars wie etwa Dieter Koschina sind, ist den beiden nicht so wichtig. „Wir haben einfach Freude daran, wenn wir solche Menschen bei uns haben und wir drei Tage lang gemeinsam werkeln“, ergänzt Jodok.
Zum Schluss gibt’s natürlich noch was aus dem aktuellen Menü zu kosten: ein Sfincione, eine sizilianische Art der Focaccia mit wunderbar gedünsteten Zwiebeln als Belag und danach köstliche Buccatini mit Sardinen, Fenchel, Bröseln, einer leichten Safranbrühe, Rosinen, Pinienkernen und der zuvor hergestellten Sardellenpaste. Dazu verkosten wir natürlich den Weißen von den Hängen des Ätna. Und schon stellt sich ein Italiengefühl mitten im Bregenzerwald ein.
Beim Hinausgehen lädt uns Jodok noch ein, doch mal mit ihm einen Sonntag lang zu kochen. „Ich kann immer Helfer gebrauchen“, motiviert er uns. Und natürlich werden wir dieses Angebot demnächst annehmen. Wenn wir schon nie Ministranten waren, werden wir jetzt wenigstens Küchenhelferlein – das freut Leib und Seele. Und man muss nicht niederknien.