Matteo Zanus
Cucina Teochef
Es muss ja nicht in jedem Magazin Sterneküche sein, haben wir uns gedacht. Aber natürlich mögen wir sehr gutes Essen lieber als nur gutes. Und besondere Lokale lieber als gewöhnliche Dorfkaschemmen. Und Typen sowieso lieber als Langweiler und Spießer. Dass wir mitten in Bassano del Grappa derart treffsicher fündig werden würden, ist einem Recherchezufall unseres Roberts geschuldet und der Hartnäckigkeit des Organisationsteams bei der Terminvereinbarung. Hauptverantwortlich dafür, dass wir spätabends bestens genährt, angenehm befeuchtet, wunderbar unterhalten und freundschaftlich verabschiedet aus unserer Restaurantwahl für Magazin Nr. 13 Richtung Palazzo delle Misture weiterzogen, ist je-doch der Padrone der Cucina Teochef: Matteo Zanus vulgo Teochef.
Es ist kein spektakuläres Lokal, die Cucina Teochef. Aber eines, wo man sich auf Anhieb wohlfühlt. Rechts vom Eingang eine Bar, gut bestückt mit allem, was man gerne mag. Links, der Wand entlang Holztische und Stühle, angenehme Beleuchtung und besondere Wanddeko wie ein goldener Schweinekopf. Im Anschluss an die Bar ein länglicher Stehtisch, über dem ein Dunstabzug (!) hängt. Und am Kopfende des Raumes ein Regal voller Objekte der Begierde, Lustmacher und Augenweiden: Kochbücher!
Matteo setzt sich mit uns an den Stehtisch. Er kommt aus der Küche, wirkt einigermaßen erhitzt – warum werden wir später feststellen – und schaltet zuerst mal den Dunstabzug ein, der sofort für angenehme Kühlung sorgt. Er ist echt eine Type mit seinem Piratenstirnband, den Tattoos, seiner stattlichen Figur und seiner tiefen, sonoren Stimme. „Und, was wollt ihr wissen?“, fragt er uns denn auch sehr unvermittelt. „Erzähl doch einfach, was du uns gerne erzählen möchtest“, kontern wir ein wenig vorlaut. Er grinst. „Ich war lange in Los Angeles. Das war echt die Basis für alles, was ich danach gemacht hab und was uns heute auszeichnet“, erzählt er als erstes. Eigentlich ist er hier in Bassano aufgewachsen, hat sich die ersten Sporen in Lokalen im Ort und in der Region verdient. „Das war mir aber einfach zu langweilig“, sagt er. Kann man sich gut vorstellen, wenn man den Kerl so vor sich sieht. In den USA hat Teochef zig verschiedene Küchen kennengerlernt und studiert. Er hat sich dabei das Beste für sich herausgepickt und mit zurück nach Europa gebracht. Nach Bassano ist er erst zurückgekommen, als die Mama krank wurde. „Da willst du dann einfach in der Nähe sein“, erzählt er.
Nach ein paar Jahren in Restaurants hier, hat er dann die Cucina aufgemacht. „Ich war der erste, der sich über die Brücke rüber getraut hat, quasi in die Vorstadt“, schmunzelt er. Das ist deshalb komisch, weil es von der historischen Holzbrücke Ponte Vecchio zu seinem Lokal gerade mal 150 Meter sind. „Nach mir hat ein Laden und ein Lokal nach dem anderen aufgesperrt und heute ist die Straße hier die neue In-Meile in Bassano“, lacht Matteo. An der Wand hinter ihm und gegenüber, neben der Tür zur Küche, hängen Zeichnungen eines Mannes, der wohl jeder kennt und verehrt: Antony Bourdain, der amerikanische Starkoch, Bestsellerautor, Reiseberichterstatter und Entertainer, der 2018 verstorben ist. Ob er ihn mal getroffen hat, fragen wir Matteo. „Nein, aber das war auch nicht nötig. Er war seit ich denken kann mein absoluter Held“, antwortet er fast ein wenig feierlich. Seine Kompromisslosigkeit, die absolute Klarheit darüber, was er mochte und wollte und was nicht, sein Charisma, Wissen und Können – all das hat ihn als Koch und Mensch mitgeprägt.
„Kommt ihr mit in die Küche?“, fragt uns Teochef. Klar, und wie. Frigesch schnappt die Kamera und los geht’s. Harald und Robert gönnen sich dieses Vergnügen allerdings nur recht kurz. Und das hat seinen Grund: Wenn man in die kleine Küche der Cucina kommt, hat man das Gefühl, sich mit einem Schlag im Vorhof der Hölle zu befinden. Derart heiß ist es selten irgendwo. Verantwortlich dafür sind ein im Herd intergriertes Greenegg, befeuert natürlich mit Holzkohle, und gleich dahinter ein Schamott-Kochtopf, voll mit glühenden Kohlen. Können wir bitte wieder unter den Dunstabzug? Wenn man allerdings Teochef und seinen Jungs bei der Arbeit zusieht, die Produkte begutachtet und die Gustostückchen vom Chef präsentiert bekommt, dann wird aus dem Vorhof zur Hölle der Himmel auf Erden. Nicht, dass Fleisch ein Gemüse wäre – so weit würde Teochef nie gehen – aber er mag es schon verdammt gerne und er kocht es unfassbar gut, wie wir später erkosten durften.
Kurz vor dem Kreislaufzusammenbruch ma-chen wir uns auf den Weg zurück zum Tisch, um nach einem kühlenden Craftbeer die Köstlichkeiten aus der Küche zu genießen: Tomaten-Baklava mit Oliven, frittiertem Rucola und Burrataeis, Röstbrot mit gebratenen Melanzane, Misosauce, Dill und Limone, Carne Cruda vom Pferd mit Pesto und Erdnussöl oder Tataki vom Thunfisch mit Wildkräutern und Kokosnussmilch-Dashi.
„Und schmeckt´s“, fragt Teochef immer wieder zwischendurch. Er ist ständig unterwegs zwischen Küche und den Tischen im Lokal. Hier ein Schwätzchen, dort ein freundliches Schulterklopfen. Zum Hauptgang wird’s dann echt fleischig: Ein Kilo feinstes Rind, zur Perfektion gegrillt, unfassbar im Geschmack und zart wie Milchbrötchen. Wir essen genüsslich, Teochef ist zufrieden mit uns, wir mit ihm. Der bullige, auf den ersten Blick leicht grantige Bär ist ein echt sympathischer Kerl und ein fantastischer Koch. Auch ohne Stern. „Das ist mir egal, ich mach mein Ding, die Gäste mögen es, das Team hat Spaß und ich kann davon leben. Was will ich mehr!“, so die klare Haltung eines Mannes, der in sich ruht, aber niemals rastet – wie sein großes Vorbild Antony.