Zu Mittag im Hinterland

Zu Mittag im Hinterland

„Nunca llueve a gusto de todos”, sagt Ramiro als wir ihn nach der perfekten Paella fragen. Man kann es nicht allen rechtmachen, bedeutet das sinngemäß. Muss man auch nicht. Denn für Ramiro ist das Wichtigste: Eine Paella muss so gekocht werden, wie es die Tradition verlangt. Und die kennt für eine Paella Valènciana ganz klare Regeln.

 

Darüber diskutieren wir im Restaurant Las Bairetas in Chiva, wo wir uns nach dem Besuch bei Andreu World stärken und für die weiteren Stationen am Nachmittag vorbereiten. Ramiro Otero, unser Begleiter für diesen Tag, hat uns in dieses recht unscheinbare Lokal geführt, das am Rand des kleinen Städtchens Chiva liegt. Von außen eher ein Gewerbebau, ist man zunächst überrascht, hier überhaupt ein Lokal vorzufinden. Die Küche, die durch eine Sichtscheibe vom Gastraum getrennt ist, lässt auch noch nichts Besonderes vermuten. Aber laut Ramiro gibt es hier die beste Paella der Region und vor allem deren Zubereitung sei es wert, hierher zu kommen. Ramiro bestellt Tapas und eine Flasche kühlen Weißwein, ehe er sich geneigt zeigt, unsere aufkommende Neugier zu stillen.

 

„Kommt mit“, fordert er uns auf und geht mit uns in die Küche. Aber nicht, um dort dem gemächlichen Tun der Köche zuzuschauen, sondern um durch eine Tür in einen nächsten Raum zu gehen – und der Blick, der sich mit dem Öffnen dieser Türe auftut, gibt uns eine Idee davon, wie es wohl im Vorhof zur Hölle aussehen muss.

 

Ein riesiger Raum, kohlrabenschwarz, circa sechs Meter hoch. Überall Feuer und Rauch. Riesige Kamine versuchen, diesen nach oben abzusaugen. Temperatur: gefühlte 40 Grad. Heute ist es ruhig im Restaurant, weshalb auf den offenen Feuerstellen nur rund ein Dutzend Paellapfannen über offenem Feuer kochen. Fünf bis sechs sind es pro Station, gute 35–40 Stationen gibt es insgesamt. „Am Wochenende werden hier schon mal bis zu 150 Paellas gekocht“, erklärt Ramiro. Unvorstellbar für uns. Wir gehen ehrfürchtig durch diese Kathedrale des ursprünglichen Kochens. Hinten, an einer Wand fein säuberlich aufgehängt, hängen die Pfannen, nach Größe sortiert, schwarz vom Russ. Die beiden Köche, die heute Dienst haben, legen Holz nach, rühren um, lassen gefühlvoll den Reis in eine der Pfannen rieseln und legen bei einer weiteren zum Abschluss ein paar Garnelen obenauf. 

 

Dieser Kontrast von brachialem Küchenraum – falls man das überhaupt so nennen kann – und der beinah liebevollen, auf jeden Fall aber respektvollen Zubereitung der Paellas, hat einen ganz besonderen Reiz. Und er macht Appetit. Also, nichts wie zurück an den Tisch und die Vorfreude auf unsere Pfanne genießen. Die kommt dann auch in Kürze, gemeinsam mit einer weiteren Flasche Weißwein. Ramiro schöpft uns allen, gibt letzte Erklärungen und dann macht sich genießendes Schweigen am Tisch breit, unterbrochen nur von gelegentlichen Mmmhhh- und Aaahhh-Geräuschen.

 

Die ganze Pfanne haben wir nicht geschafft, aber fast. Aufs Dessert wird verzichtet, nur Café gibt es noch, bevor wir uns zurück zum Auto begeben und unseren Tag mit Andreu World fortsetzen. So schön die Möbel dieses Unternehmens auch sind und so beeindruckend die Produktion sich präsentiert – das Highlight des Tages bleibt die Paella-Werkstatt des Las Bairetas. Danke, Ramiro, für dieses besondere Erlebnis und den tollen Tag mit dir.

Rezept:
Die original „Paella valènciana“

 

Für 4 Personen:
400 g Bomba-Reis aus Valencia
500 g Hühnerteile
500 g Kaninchenteile
200 g flache grüne Bohnen
150 g dicke weiße
Garrafón-Bohnen
1 Dose Tomaten gestückelt
1 El. geräuchertes Paprika-
pulver (Pimenton de la Vera)
etwas Safran, möglichst
guter Qualität
250 g Schnecken (vorgekocht)
120 ml natives Olivenöl
1 Zweig frischer Rosmarin
Gemüsebrühe (das Vierfache
vom Reis)

Huhn und Kaninchen zerlegen und leicht salzen. Öl in der Paella-Pfanne erhitzen und das Fleisch anbraten. Danach das Gemüse hineingeben und ebenfalls anbraten. Platz in der Mitte der Pfanne schaffen und dort das Paprikapulver mit den Tomatenstückchen platzieren. Darauf einen Liter Gemüsebrühe und die Schnecken hineingeben.
Gut eine Stunde bei leichter Flamme köcheln lassen.

 

Den Reis und den Safran dazugeben. Die Kunst dabei: Eine Linie freimachen und den Bomba-Reis strichförmig hineinstreuen. Dann mit einem Holzlöffel nach außenhin verteilen. Hitze kurz erhöhen und dann wieder reduzieren. Die Paella unangetastet 20 Minuten weiterkochen lassen, so bildet sich in der Mitte eine leichte Kruste.

 

Ruhen lassen: Paella von der Kochstelle nehmen und noch gut 15 Minuten stehen lassen. Dann servieren.

 

Paella mit Biss: Der Bomba-Reis der València-Paella hat mehr Biss als beispielsweise ein Risotto-Reis. Auch das
unterscheidet das Original von den Klassikern in vielen spanischen Tavernen.

 

Tipp: Den frischen Rosmarin nur ein bis zwei Minuten in die köchelnde Paella geben, damit das intensive Gewürz nicht den Geschmack dominiert.