Ikonisch.
La Ricarda – Casa Gomis.Die Casa Gomis
Die Casa Gomis wurde von Architekt Antonio Bonet (1913–1989) für seinen Kunden Ricardo Gomis Serdañons (1910–1993) und seine Frau Inés Bertrand Mata (1915–1992) entworfen. Das Abenteuer begann 1949 mit einem ersten Entwurf, der 1950 dann weiterausgeführt und 1953 endgültig vom Bauherren freigegeben wurde. Mitte 1957 wurde mit den Bauarbeiten begonnen. Ab 1962 lebte die Familie Gomis in dem Haus, das zu der Zeit allerdings noch immer nicht ganz fertiggestellt war.
Erst 1963 war das Projekt endgültig fertig gebaut. Während der gesamten Arbeiten lebte Bonet in Buenos Aires, was die Koordination des außergewöhnlichen Projektes nicht immer einfach machte, vor allem während der Zeit des Franco Regimes. Die Schreckensherrschaft des Diktators veranlasste Ricardo Gomis auch dazu, sein Haus für katalanische Intellektuelle zu öffnen. Auch zahlreiche Künstler kamen hierher zum Arbeiten. Die Casa Gomis ist noch immer im Besitz der Familie Gomis Bertrand.
Als wir am letzten Tag unserer Reise das Hotel Wilson auf der Diagonal verließen und ins Taxi stiegen, ahnten wir nicht ansatzweise, welche famose Überraschung uns in Kürze erwarten sollte. Wir wussten nur so viel: Jakob Erich, der österreichische Vertreter von punt, hatte für uns ein Treffen mit Marita Gomis vereinbart. Und zwar in El Prat de Llobregat, in der Nähe des Flughafens, zur Besichtigung von La Ricarda Casa Gomis.
Unser Taxifahrer gab die Adresse des Treffpunktes, Centre Municipal de Vela in El Prat, ins Navi ein und los ging’s. Eine halbe Stunde später standen wir out in the middle of nowhere, auf einem sandigen Parkplatz, unweit des Meeres und warteten. Unser Taxi baten wir sicherheitshalber ebenfalls mit uns zu warten, denn von hier würden wir wohl nie mehr wegkommen, falls Marita Gomis nicht auftauchen sollte. Nach 15 Minuten wurden wir erlöst – ein kleiner Seat bog auf den Parkplatz und zwei ältere Damen stiegen aus, stellten sich als Marita und ihre jüngere Schwester Susana vor und baten uns, ihnen zu folgen.
Durch ein automatisches Tor ging es über einen Feldweg. Unser Taxi saß zweimal auf (was nur an unserem schweren Handgepäck liegen konnte, keinesfalls aber an uns) und nach ein paar Kehren erreichten wir den gekiesten Parkplatz der Casa Gomis. Wir waren wie paralysiert. Vor uns lag eine Villa mit geschwungenen, wellenförmigen Dächern. Grüne Kacheln an der einen Seite, eine strukturierte Wand aus Backsteinziegeln auf der anderen Seite. Dazwischen gaben große Glasscheiben einen ersten Blick auf das Innere frei. Marita öffnete die Tür und wir betraten eine andere Welt. Geradeaus ging der Blick durch einen langen, gläsernen Gang direkt hinaus in den Park. Rechts ließ eine Flucht von Türen mehrere Räume erahnen. Und links war der Zugang zum Wohnraum – aber was für ein Raum.
Richtung Park ließen große Fensterfronten den Raum mit der Natur verschmelzen. Über den Fenstern wiederholten sich die Backsteinziegel als Halbkreisbogen. Die Hohlräume der Ziegelelemente waren mit bunten Glasbausteinen ausgefüllt, die durch das Licht von außen in allen Farben leuchteten. Mit einer Kurbel öffnete Marita die länglichen hölzernen Läden. Überall standen Originalmöbel, die von Architekt Antonio Bonet, dem Mastermind von La Ricarada, entworfen wurden oder die vom Bauherrn, dem Vater von Marita, bei anderen Designern in Auftrag gegeben worden waren.
In der Mitte ein Kamin, davor Sofas. Vor der seitlichen Fensterfront eine längliche Sitzbank. Ein Lounger aus braunem Leder, mit Metallgestell, samt Ottoman. Einzelne Sessel. Alles zusammen eine beeindruckende Vielfalt an ikonischen Möbeln, die perfekt in dieses märchenhafte Ambiente passten.
Man könnte ein halbes Magazin mit den Bildern und der dazugehörigen Schwärmerei über dieses architektonische Juwel füllen. Über den Masterbed-
room etwa, der in einem gesonderten Pavillon lag, verbunden durch den langen Glasgang, den wir vom Eingang aus sahen. Oder die seitlich liegenden Schlafräume, die jeweils mit einem kleinen Bad und dazugehörigen Schränken voneinander getrennt lagen. Oder von der sagenhaften Küche, die aus gleich mehreren Teilen bestand, um auch große Gesellschaften bequem versorgen zu können. Bis hin zur eigens entworfenen kuppelförmigen Hundehütte aus Beton vor dem Küchenfenster. Ganz zu schweigen vom Park, samt Badepavillon und Pool. Dazu die vielen kleinen Details wie etwa die Sicherungen aus Porzellan, das Wählscheibentelefon oder das verschiebbare Board über dem Ehebett. Selbst unser Taxifahrer war sprachlos vor lauter Schönheit, die sich ihm hier bot.
Marita erzählte uns von früher, wie sie als Kinder hier mit ihren Eltern lebten. Sechs an der Zahl, von denen sie die Nummer drei war. Viel Besuch gab es, große Gesellschaften, die sich um den Esstisch versammelten, im Salon debattierten oder im Park flanierten. Seit Jahren nun steht sie leer, die Casa Gomis. Manchmal kommen die Jungen, also die Kinder und Enkel am Wochenende her. Aber eigentlich ist La Ricarda sich selbst überlassen. Während sie das alles sichtlich betrübt erzählt, donnert ein startendes Flugzeug über unsere Köpfe hinweg – der Flughafen ist das Problem der Casa Gomis. Er macht verschiedene Ideen der Nutzung mit einem Start zunichte. Ein Museum vielleicht? Zu weit weg vom Schuss, von der Stadt, meint Marita. Aber wenn wir eine Idee hätten, sollen wir sie sofort anrufen, sagt sie zum Abschied. Es fällt uns dementsprechend schwer, La Ricarda, Marita und ihre Schwester zu verlassen. Zu viel gäbe es noch zu entdecken. Und zu viel könnten die beiden Frauen noch erzählen. Von jener Zeit, als die Familie Gomis in ihrem selbst erschaffenen Traum den Alltag lebte, Antonio Bonet für außergewöhnliche Architektur sorgte und solch ikonische Möbel wie der Mariposa, auch bekannt als Butterfly Chair entstanden. Aber das ist nur eine von vielen Geschichten rund um dieses Schmuckstück.