nina mair

Nina Mair 

Zeichenstift & Stichsäge

Wenn Nina Mair ein neues Produkt entwickelt, dann hat das sehr viel und sehr früh mit Handarbeit zu tun, mit Ausprobieren, Testen, Spüren und Lernen. Dann wird gesägt, genäht, gehämmert und geschliffen. Materialien werden getestet, Formen gesucht und konstruktive Ideen durch Prototypen auf ihre Tauglichkeit überprüft. Deshalb sind in ihrem Atelier in Innsbruck nicht nur Schreibtisch, Computer und Zeichenbord zu finden, sondern auch eine Nähmaschine, diverse Sägen, viel Werkzeug und ein Schweißgerät. „Ich finde, es ist mehr Werkstatt als Atelier“, sagt sie selbst, die schon als Kind auf dem Bauernhof ihrer Großeltern beim Reparieren zugesehen hat und früh auch selbst Hand anlegen durfte. „Vielleicht ist mir deshalb heute so wichtig, dass die Dinge Bestand haben und nicht für den kurzfristigen Verbrauch gemacht werden“, sagt Nina Mair.

 

Seit 2012 ist sie mit ihrem eigenen Atelier selbständig. Ihr Team ist sehr vielseitig, international und interdisziplinär. „Es ist eine große Herausforderung, die gesamte Bandbreite an Themen und Arbeitsfeldern abzudecken, die bei einem Projekt so auf einen zukommen“, erklärt sie. Aber genau das ist es, was sie am meisten reizt und interessiert: das Gesamte. Deshalb ist sie auch
Architektin und Produktdesignerin. Letzteres passierte eher zufällig, falls man an Zufälle glauben will. Als sie sich mit zwei Kollegen selbständig machte – damals hieß das Büro „Pudelskern“ –, war einer der beiden anderen Tischler. So kamen sie schließlich zum Salone Satellite, dem Sideevent der Mailänder Möbelmesse, der jedes Jahr junge Designer präsentiert und für viele von ihnen schon der Start einer internationalen Karriere war. Seither ist sie Dauergast beim Salone, heuer bei der Gemeinschaftsausstellung der österreichischen Wirtschaftskammer in der Stazione Centrale.

 

Pudelskern ist inzwischen Geschichte, die Liebe zum Produktdesign ist geblieben. Und die Faszination an Gesamtprojekten, also der Verbindung von Architektur und Produktdesign seither ständig gewachsen. „Es ist einfach unglaublich reizvoll, nicht nur die Hülle zu planen und zu errichten, sondern auch den Inhalt beizusteuern“, schwärmt Nina Mair. Und sie erzählt voller Begeisterung von einem Neubau für eine Tischlerei in Lienz, deren Konzept aus ihrer kreativen Feder stammt und für die sich auch gleich einen Gutteil der Möbel entwerfen konnte – die natürlich von der Tischlerei selbst gebaut wurden. „Es braucht viel Vertrauen, um eine solche Partnerschaft wachsen lassen zu können“, weiß sie zu berichten. Und dass man ihr vertrauen kann, steht außer Frage. Sie ist sehr überzeugend in ihren Aussagen, klar in ihren Gedanken und geradlinig und konsequent in ihrer Designsprache.

 

„Ich will Dinge auf das Notwendige reduzieren, soweit es irgendwie möglich ist“, erklärt Nina Mair. Dieser Minimalismus zeigt sich in fragilen, klaren, einfachen Formen, die jedoch in ihrer Komplexität bezüglich Konstruktion und Materialien umso anspruchsvoller sind. Nina Mair liebt es, wenn die Natürlichkeit erhalten bleibt und ein Material durch die Spuren der Zeit und der Benützung an Schönheit und Wert gewinnt. Und auch wenn sie selbst von sich sagt, keine bestimmten Stilelemente zu verfolgen, so ist doch eine eindeutige Handschrift zu erkennen. Das schätzen auch ihre Kunden. Gerne vertrauen sie auf die Expertise der Designerin, die sich viel Zeit nimmt, um die Wünsche, Bedürfnisse und Vorlieben ihrer Auftraggeber genau zu ergründen. „Wir erarbeiten vor jedem Projekt mit dem Auftraggeber eine Designanalyse. Danach erstellen wir Moodboards, um unser Konzept zu visualisieren. Und erst, wenn es mit dem Kunden abgestimmt und von ihm freigegeben wird, entstehen die Prototypen für die endgültige Umsetzung“, beschreibt sie die Vorgangsweise.

 

Nur logisch, da bei einer derart intensiven Auseinandersetzung mit einem Projekt auch des öfteren neue Produkte entstehen. So entwickelt sie aktuell für ein Hotelprojekt einen speziellen Stuhl, der für die Schreib-
tische in den Zimmern als Alleskönner zum Einsatz kommen soll. „Es gibt immer wieder Dinge, die es noch gar nicht gibt, obwohl es scheinbar schon alles gibt“, sagt sie lächelnd. Solche Herausforderungen liebt Nina Mair. Auch wenn es um neue Felder geht, wie beispielsweise Akustik. „Klar hat man während des Studiums auch mal damit zu tun gehabt. Aber das jetzt ist doch ganz was anderes“, erzählt sie und meint damit ein Projekt, das sie für YDOL gemacht hat und für das sie sich intensiv mit Akustik auseinandersetzen musste. Das Ergebnis ist eine Möbelkollektion, in die Akustikelemente unsichtbar integriert wurden.

 

Natürlich fragen wir Nina Mair, was sie gerne mal machen würde. Und sind überrascht angesichts der Antwort: „Eine Tankstelle“, sagt sie. „In der der Zauber der Mobilität noch spürbar ist, die ein Treffpunkt mit Charakter ist. Meine Tankstelle würde sich unterscheiden von den neonerleuchteten Stereotypen.“ Oder einen Türgriff, ergänzt sie noch schnell. Aktuell arbeitet sie an neuen Produkten für einen deutschen Sofahersteller und einen italienischen Badhersteller – mehr darf aber noch nicht verraten werden.

 

Zuhause mag sie ihr Extrasoft-Sofa von Living Divani. Und natürlich den Esstisch, weil hier die besten Gespräche stattfinden und sehr viel Inspiration passiert. Die findet sie auch auf Reisen. Und sie erzählt von einem Erlebnis in Palermo, in einer kleinen Seitengasse, in der in einer Garage alte Fliesen vom Mörtel befreit wurden, um dann, frisch aufbereitet, wieder verkauft zu werden. Diese Fliesen haben sie inspiriert und so entstand die Idee, selbst welche zu entwickeln – mit Messingeinlagen. Ideen und Inspiration findet sie auch beim Laufen. Nur beim Tennisspielen ist ihr Kopf bei der Sache. „Hier merkt man sofort, wenn man über etwas anderes nachdenkt. Dann freut sich nämlich die Gegnerin“, mahnt sie.

 

Für die Zukunft wünscht sich Nina Mair, dass sie weiter gestalten darf. Das klingt banal, ist aber, so wie sie es meint, der Wunsch nach kreativem Freiraum, Vertrauen und Experimentierfreude, den sie von ihren Kunden braucht, um für sie – und auch für sich selbst – das Besondere schaffen zu können. Ob in der Architektur oder im Produktdesign spielt dabei keine Rolle. Hauptsache es passiert in einem wertschätzenden Umfeld mit dem nötigen Freiraum und ihrem gut eingespielten Team – Zeichenstift, Säge und Schweißgerät inklusive.

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