Ein Nest für Geniesser

Ein Nest

für Geniesser

Es ist schon imposant, das Grand Ressort Bad Ragaz. Beeindruckende Kubaturen, viel Marmor, großzügige Lounge-Bereiche, gemütliche Bars, insgesamt sieben Restaurants, luxuriöse Möblierung, feinste Materialien, ein erstklassiges Wellness- und Rehaangebot und rund 800 Mitarbeitende sorgen für das Wohlergehen der Gäste aus aller Welt. Wenn man die Lobby des Haupthauses durchquert hat, an verschiedenen Boutiquen vorbeigeschlendert ist und einen weiteren Loungebereich durchschritten hat, dann steht man vor einer fast bescheiden wirkenden, zweiflügeligen Holztüre. Wenn sie sich öffnet, gibt sie den Zugang frei zu einer kleinen, feinen Oase in dieser pompösen Welt – dem Restaurant IGNIV. Der Hausherr und Küchenchef Silvio Germann empfängt uns mit einer warmen Herzlichkeit, die bei uns sofort Wohlgefühl auslöst und Lust darauf, mit ihm die nächsten Stunden zu verbringen, um ihn und das Konzept des IGNIV besser kennenzulernen.

 

Das kleine, feine Restaurant, das von der spanischen Architektin und Designerin Patricia Urquiola gemeinsam mit dem IGNIV-Team konzipiert wurde, ist modern, aber dennoch sehr gemütlich. Warme Farben kombiniert mit frischen Akzenten, edle Materialien im Zusammenspiel mit Holz und Stoff sowie eine gekonnte Zonierung machen das IGNIV zu dem, was der Name auf Räteromanisch bedeutet: ein Nest, in dem man sich gerne niederlässt und gut behütet fühlt.

 

Silvio zeigt uns die Küche, die Arbeitsräume und die gemeinsam mit anderen Restaurants genutzten Flächen, bevor er sich mit uns aufmacht in den hauseigenen Garten, um ein paar Zutaten zu holen. Über die Terrasse geht es hinaus in den Park des Hotels, vorbei an Skulpturen verschiedener Künstler, über die Straße und entlang der Personalhäuser hinunter zum Garten. Dieser entpuppt sich als riesige Fläche mit Freilandbeeten und mehreren Glashäusern, die leider fast alle ungenutzt sind. Lediglich das Team des IGNIV hat begonnen, hier eigenes Gemüse anzubauen – als Hobby sozusagen und in Eigenregie. „Hier holt sich jeder, was er für seinen Teil des Menüs braucht“, erklärt uns Silvio Germann. Wir streifen durch das Glashaus, nehmen hier ein paar Babyfenchel mit, zupfen da ein paar Kressesprossen, ein paar Blüten und kleine Gurken. Noch ein paar Karotten und etwas Kohlrabi und schon ist unser Einkaufskörbchen voll.

 

Silvio Germann hat beim Schweizer 3-Sterne-Koch Andreas Caminada gelernt. Ging dann auf Wanderschaft durch verschiedene Betriebe und folgte schließlich dem Ruf seines Ex-Chefs, als der das IGNIV hier in Bad Ragaz plante. Gemeinsam erarbeiteten sie das Restaurantkonzept, das natürlich die Stilistik von Caminada aufgreift, aber zu einem eigenständigen Ansatz weiterentwickelt wurde. Silvio Germann und sein Team setzen auf Sharing. Das bedeutet, wenn Gäste ein Menü bestellen, kommen zum Beispiel alle sechs Vorspeisen gleichzeitig auf den Tisch und es wird geteilt. So wie auch die Hauptgänge und Desserts. 20 Gänge werden so für ein klassisches Menü serviert. Und jeder davon ist ein Erlebnis, wie wir uns später vergewissern konnten.

 

Zurück in der Küche lernen wir einen Teil des Kochteams kennen. Max, Michael und nochmals Max sind bereits mitten in den Vorbereitungen für den heutigen Abend. Es werden die frisch angelieferten Seesaiblinge von den Gräten befreit und zugeputzt. Artischocken köcheln in einem Sud aus Olivenöl und Gemüsebrühe. Die Shells, die später mit Forellentartar gefüllt werden, sind zum Backen bereit. Alles passiert ganz in Ruhe. Im Hintergrund spielt Musik, die Stimmung ist entspannt und leger. Trotzdem arbeiten alle hochkonzentriert und unterstützen sich, wenn nötig, gegenseitig. Silvio zeigt uns, wie aus entsafteten Kartoffeln eine Geschmacksexplosion werden kann, die sich im Mund innert 2 Sekunden im Nichts auflöst. Michael bereitet die Makrele vor und Max kümmert sich derweilen um die Buttermilchperlen, die mit flüssigem Stickstoff behandelt werden.

 

Wir probieren hier, kosten da und lassen uns alles genau erklären. Auch die kleine Überraschung unter dem perfekt von Hand geschnittenen Tartar: Eine kleine Pilzmousse sorgt für den Aha-Effekt, getoppt von mariniertem Sellerie und schwarzem Kohlenstaub, der natürlich aus Teig, Sepiatinte und schwarzem Knoblauch fabriziert wurde. „Wir kochen hier, wozu wir Lust haben“, erklärt uns Silvio zwischendurch die Essenz seines Konzeptes. Kochen mit Freude, Fantasie und Freunden. Zumindest gehen die vier in der Küche so miteinander um. Das Menü wechselt wöchentlich, ein paar Klassiker bleiben. „Wir wollen unseren Gästen ein besonderes Erlebnis hier im IGNIV bieten“, erklärt uns Silvio. Und dazu gehört auch, dass das gesamte Team weiß, wer zu Besuch kommt, wer die Gäste sind und welche Vorlieben sie beim letzten Mal hatten. „Wir führen Buch über jeden Gast. Im Vorfeld recherchieren wir, erstellen ein Profil samt Bild, so dass der Gast bereits mit Namen begrüßt wird – auch wenn er oder sie das erste Mal bei uns ist“, erzählt Silvio. Nach dem Besuch werden weitere Notizen ergänzt, wird festgehalten, was der Gast gegessen und getrunken hat. „Nicht, dass wir beim nächsten Besuch das gleiche servieren. Das wäre peinlich“, sagt der Küchenchef.

 

Während wir plaudern, ist so ganz nebenbei ein wunderschönes Gemüse-Ceviche entstanden. Die Küche des IGNIV ist leicht, saisonal und fantasievoll. Das Konzept wird übrigens demnächst nach Bangkok transferiert. „Aber wir bleiben hier“, beeilt sich Silvio zu ergänzen. Inzwischen wird auch die Candy-Bar bestückt, die gleich beim Eingang steht und aus der jeder Gast beim Abschied noch ein kleines Säckchen voller süßer Köstlichkeiten mit auf den Heimweg bekommt. „Als Erinnerung und weil es doch einfach Spaß macht, noch ein bisschen zu naschen“, schmunzelt der Hausherr. Besonders die Kinder, die Sonntag mittags oft hier sind, mögen die bunten Verführer – alle hausgemacht. Übrigens: Auch das Kindermenü ist ein Sharing-Erlebnis. Und wahrscheinlich macht genau das den Charme des IGNIV aus: Man fühlt sich einfach wohl hier beim Fine-Dining, in einem Ambiente und mit Gastgebern, die einem das Gefühl geben, als wäre man bei sich zuhause. Wir kommen jedenfalls demnächst wieder – aber diesmal ausschließlich zum Essen.

 

igniv.com

Für den international bekannten Schweizer Hoteltester Karl Wild ist Silvio Germann der Koch des Jahres 2019. Ausgezeichnet wurde der Küchenchef des Restaurants IGNIV by Andreas Caminada in Wilds mit Spannung erwarteter neuer Ausgabe des Buches „Die 100 besten Hotels der Schweiz 2019/20“.

 

Silvio Germann steht seit 2015 für eine neue Art des Fine-Dining: das Sharing- Menü. Als Zögling des Bündner Spitzenkochs Andreas Caminada übernahm der gebürtige Luzerner – nach ein paar Wanderjahren im Ausland – schon recht früh Verantwortung. Bereits mit 26 Jahren stand er am Pass der ersten IGNIV- Dependance in Bad Ragaz. Und er machte alles richtig. Germann erkochte sich binnen kürzester Zeit 17 GaultMillau-Punkte und einen Michelin-Stern.

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